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China strategisch

Ein Marktbericht von Arndt Kümpel

 

Manchmal versteckt sich hinter ungelenker Bürokratensprache deutlich mehr Bewegung als gedacht. Vor allem im Falle der Rede des chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang auf der Mitte März zu Ende gegangenen, jährlichen Sitzung des Nationalen Volkskongresses. Er mahnte, dass die marktorientierte Ressourcenallokation die Form größter Effizienz sei. Er sagte allerdings noch nicht, wie dabei das Verhältnis ökonomischer Ratio mit politischer Dominanz vereinbart werden solle. Denn gerade die geplante weitere ökonomische Öffnung steht im Konflikt mit dem politischen Autonomiedenken. Die Entwicklung Chinas seit den Reformen Deng Xiaopings fordert aber neben gebotener Transparenz bei Wertekonflikten auch Respekt vor der Leistung Chinas, sich an den eigenen Haaren aus dem strategischen Sumpf eines tot geborenen Kommunismus nach einem langen Bürgerkrieg zu ziehen. Zudem schwingt dabei auch die Erinnerung daran mit, dass die konfuzianischen Traditionen in China tiefer verankert als die kommunistischen!

In dem seit der Richtungsentscheidung Dengs laufenden Wechselspiel der Impulse realwirtschaftlicher und finanzwirtschaftlicher Öffnung und dem Spagat mit der Prämisse der Aufrechterhaltung politischer Macht der kommunistischen Partei Chinas scheint China Außenpolitik und Außenwirtschaft für die im Inneren zu lösenden Probleme nutzen zu wollen. Dazu wurde das ,,Timing und Sequenzing‘‘ politischer Initiativen aufeinander in der Weise abgestimmt, dass es die Erfolgswahrscheinlichkeit aller maximiert.

Die bisher erreichte schiere Größe der Volkswirtschaft und die Lernfähigkeit seiner Elite sind allerdings zwei bedeutende Vorteile im Wettbewerb um internationalen Einfluss. Ob allerdings die monotone Ausblendung politischer Dominanz auf Dauer möglich ist, bleibt zumindest zweifelhaft. Die ersten allergischen Reaktionen auf Chinas Seidenstraßen-Initiative lassen erahnen, dass die kommenden Konflikte sich nicht mehr auf reine Handelspolitik beschränken lassen. Und ob das von der KP Chinas verabreichte nationalistische Geschichtsbild am Ende mehr Nutzen als Schaden generiert, darf nicht nur im Südchinesischen Meer bezweifelt werden. Legitimationskrisen, nicht nur der KP Chinas, sind in der Geschichte oft Quellen für einen Strömungsabriss auf dem Flug in die goldene Zukunft geworden.

Einstweilen aber hat Premierminister Li die Nutzung ausländischen Kapitals für die auf obigem Parteitag kritisierten Finanzierungsprobleme gerade von KMU’s im Auge. Dass er bei einer erfolgreichen finanzwirtschaftlichen Öffnung mehrere Ziele auf einmal erreichen will, darf wohl unterstellt werden. China erfüllt damit zum einen Forderungen der westlichen Staaten. Gleichzeitig kann es das globale finanzwirtschaftliche Gewicht Chinas dem realwirtschaftlichen weiter angleichen. Strukturell globalisiert und damit diversifiziert China sein bisher vor allem im Inland konzentriertes Kreditgeberrisiko und entlastet damit seine Großbanken. Chinesische Firmen bietet diese Entwicklung tendenziell die Möglichkeit, einem Schattenbankensektor zu entfliehen, indem es sich transparent und damit für Nichtchinesen finanztechnisch vertrauenswürdig macht. Der Zufluss ausländischen Kapitals wird zudem die Stabilität des Yuan gerade in dem Moment stützen, wenn der Leistungsbilanzüberschuss Chinas sinkt und für 2019 sogar ein Leistungsbilanzdefizit möglich ist. Und schließlich wird Premier Li erwarten, dass die Chinesen, die davon profitieren, diese potenziellen Öffnungs- und Stabilisierungserfolge der KP Chinas zuschreiben und damit die Legitimation deren politischer Herrschaft erhöhen.

 

Aber wie gestaltet sich dies nun operativ?

 

Derzeit ist der chinesische Anleihemarkt nach den USA und Japan der drittgrößte der Welt und könnte schon 2020 den von Japan überholen. Zwar sind chinesische Unternehmensanleihen in US-Dollar, Yen und Euro schon seit Jahren in verschiedenen Emerging-Markets-Indizes inkludiert.

Nun soll aber der Markt in Landeswährung denominierten Anleihen folgen. Dieser kann in zwei Segmente unterschieden werden. Im Dim-Sum-Markt genannten, relativ kleineren Segment, werden offshore chinesische Anleihen in Lokalwährung gehandelt. Jedoch ist für Anleiheinvestoren das Onshore-Segment im Inland aufgrund des deutlich größeren Marktvolumens und der besseren Liquidität deutlich attraktiver. Die chinesische Regierung zielt deshalb auf eine Erleichterung des Erwerbs von Onshore-Anleihen durch ausländische Investoren.

Bereits 2018 wurden in Festlandchina gehandelte und in Yuan denominierte Aktien – chinesische A-Aktien – in den MSCI Emerging Market Index aufgenommen. Und China ermöglichte mit dem Programm ,,Connect‘‘ ausländischen Investoren, bestimmte chinesische Aktien und Anleihen an der Börse in Hongkong zu erwerben.

Der am heutigen 01.04.2019 beginnende Prozess könnte sich jedoch als Meilenstein in der finanzwirtschaftlichen Öffnung Chinas erweisen. Denn von diesem Montag an werden im Verlauf der nächsten 20 Monate 364 auf Yuan lautende Onshore-Staatsanleihen Chinas und solche von staatsnahen Banken in den Bloomberg Barclays Global Aggregate Index aufgenommen und haben in diesem dann eine Gewichtung von 6 %.

Diese staatsnahen Banken werden auch ,,Policy-Banks‘‘ genannt, weil sie mit ihrer Kreditvergabe die staatlichen Entwicklungspläne umsetzen. Es ist also zu erwarten, dass zukünftig mit der außenwirtschaftlichen Öffnung auch die Marktstellung wirtschaftspolitisch wichtiger, staatlicher Banken gestärkt wird. Diese Banken sind die China Development Bank, die Agricultural Development Bank of China und die Export-Import Bank of China, und sie stellen 205 der oben genannten 364 chinesischen Yuan-Anleihen im Bloomberg Barclays Global Aggregate Index.

Und auch für andere Indizes wird eine Aufnahme chinesischer Anleihen geprüft, so etwa beim J.P. Morgan Government Bond Index-Emerging Markets und dem FTSE World Government Bond Index. Diese Entwicklung könnte in den nächsten Jahren dazu führen, dass bis zu 275 Mrd. US-Dollar an Liquidität in den chinesischen Markt in Lokalwährung fließen, weil Investitionen in den jeweiligen Index Käufe der jeweiligen Indexkomponenten nach sich ziehen.

Zu erinnern in diesem Kontext ist allerdings daran, dass die globale Verschuldung seit der Finanzkrise 2008 deutlich zugenommen hat und der mit Abstand bedeutendste Treiber dieser Zunahme die explodierende Kreditaufnahme chinesischer Staatsunternehmen war. Zudem hat die Spekulation am chinesischen Immobilienmarkt zu einer massiven Erhöhung der Verschuldung privater Haushalte geführt. Zwar wird der Zugang ausländischer Investoren zu chinesischem Kredit- und Aktienrisiko erleichtert. Dies ist dadurch aber nicht gesunken. So haben sich etwa 2018 die Zahlungsausfälle am chinesischen Anleihemarkt im Vergleich zu 2017 vervierfacht!

Inzwischen macht Überpräsident Xi außenpolitisch weiter Nägel mit Köpfen und findet in der Europäischen Union einen willigen Nagel. Auf seiner Europareise in der vergangenen Woche unterzeichnete er im Zuge des Beitritts Italiens zur Seidenstraßen-Initiative Chinas 29 Absichtserklärungen. Nun investiert China rund 2,5 Mrd. Euro in den Ausbau der Häfen von Genua und Triest, auch um letzteren zu einem Hub für Mittel- und Osteuropa auszubauen. Passend dazu wird die italienische Staatsbank Cassa Depositi e Prestiti (CGD) auf Yuan lautende Anleihen, verbal zum Liebhaben geframte, sogenannte Panda-Anleihen, emittieren. Dass dies eine gesamteuropäische Politik zur Seidenstraßen-Initiative erschwert, scheint in Rom weniger schwer zu wiegen als die Not, in einer selbst verschuldeten Überschuldungsnotlage Wachstum und Investitionen aus dem Hut zu zaubern.

Derweil winkt Präsident Xi aus der Vergangenheit General Sun Tsu zu. Dieser Mitte des 6. Jh. v. Chr. im damaligen Reich Qi geborene Militärstratege prägte mit seinem Werk ,,Die Kunst des Krieges‘‘ das chinesische Verständnis von Kampf. Es gilt als frühestes Buch über Strategie und ist heute noch Standardliteratur für chinesische Manager und Militärstrategen. Es beschreibt die Notwendigkeit des Einsatzes aller zur Verfügung stehenden Mittel und von Flexibilität zur Erreichung des Zieles und wie dieses zu erreichen ist. Bei seinem Staatsbesuch am 19.04.2006 in den USA überreichte Chinas damaliger Präsident Hu Jintao dem damaligen US-amerikanischen Präsidenten J.W. Bush eine seidenbestickte Ausgabe des Werkes.

Übrigens: Einer der berühmtesten Sätze General Sun Tsu’s war, dass es am besten sei, die Strategie des Feindes zu vereiteln, am zweitbesten, die Bündnisse des Feindes aufzubrechen, erst an dritter Stelle folgen kämpfen und siegen.

 

01.04.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de





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