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Edelmetalle und Kryptowährungen

Ein Marktbericht von Arndt Kümpel

 

Die Inhaber von Kryptowährungen wie Bitcoin brauchen schon starke Nerven. Schließlich musste man die Wertsteigerung von teilweise mehreren Tausend Prozent mental bewältigen. Wer hätte vor 3 Jahren gedacht, was aus einem Bitcoin wird, als es Mitte August 2015 sein Jahrestief von 162 US-Dollar erreichte. Und bereits Anfang November 2015 hatte es sich bei einem Jahreshöchstkurs von 504 US-Dollar mehr als verdreifacht – ein kleiner Vorgeschmack auf das Kommende. Denn der Anstieg von rund 1000 US-Dollar im März 2017 bis zu seinem bisherigen Allzeithoch von 19.981 US-Dollar in der zweiten Dezemberwoche 2017 mit 2000 % Gewinn in 7 Monaten stellt jede Spekulationsblase für Südsee-Investments oder Tulpen in den Schatten. Aktueller Bitcoin-Kurs - ca. 5.300 US-Dollar.

Ein Blick auf die klassischen Finanzmarktanomalien mit seinen systematischen Anlegerschwächen hätte einen schon lange vorher hellhörig werden lassen müssen. Es waren aber nicht nur das Herdenverhalten der Gier-frisst-Hirn-Fraktion oder die Chartanalyse-Fans, die der Repäsentativitätsheuristik und der exponentiellen Eigendynamik des raketenhaften Anstieges erlegen waren.

Es ist auch der Kontext der Entwicklung, der zum Blick auf das Ganze anregt, denn die Mystik, die mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto verbunden ist, ist bis heute nicht verschwunden. Unter dem Pseudonym ist der Erfinder der Kryptowährung Bitcoin bekannt. Dieser veröffentlichte im Oktober 2008 das Bitcoin-White Paper, und bereits 2009 wurde mit Bitcoin die erste Kryptowährung gehandelt. Danach kamen viele weitere, darunter Litecoin 2011, Bytecoin 2012, Ripple 2013, Dash 2014 und Ethereum 2015.

Bereits 1998 jedoch hatte der Computerwissenschaftler Nick Szabo ein Modell für eine Digitalwährung mit dem Namen Bit Gold beschrieben und skizziert, wie eine dezentrale und auf Kryptographie basierende Währung aufgebaut sein sollte. Wesentliche Motivation war das Ziel zu verhindern, dass Geld veruntreut werden kann. Dies ist nur dann möglich, wenn die Öffentlichkeit die Kontrolle über die Währung und jede Transaktion hat – nicht eine Bank oder ein Staat.

Aus dieser Sicht könnten Kryptowährungen also eine Reaktion auf die zu dieser Zeit stattfindenden Krisen sein. Diese Krisen waren eben Krisen der Banken, des Geldes, der Staaten und damit des Vertrauens in fundamentale geschriebene und ungeschriebene Verträge einer Gesellschaft, untereinander und mit dem Staat. Denn 1998, direkt im Anschluss an die Asienkrise, brachte der Staatsbankrott Russlands den US-Hedgefund Long Term Capital Management (LTCM) zum Straucheln, was das reale Risiko eines Zusammenbruchs des internationalen Finanzsystems heraufbeschwor. Unter den LCTM-Direktoren waren auch M.S. Scholes und R.C. Merton, die im Jahr zuvor für ihre Arbeiten zur Bewertung von Optionen den Wirtschaftsnobelpreis erhalten hatten und deren Modell auch heute noch das fundamentale Bewertungsmodell von Derivaten darstellt. Damals aber stand die Finanzwelt am Abgrund ihres eigenen institutionalisierten ,,Overconfidence Bias‘‘. Es bleibt hier die Erinnerung und erneute Erkenntnis, dass eine Währung ohne intrinsischen Wert nur dann funktionieren kann, wenn ein ausreichendes Maß an Vertrauen bei den Beteiligten gegeben ist.

Ob nun Korrelation oder Kausalität, dieser Kontext macht die Idee einer dezentral gesteuerten, möglichst anonymen Zahlungstransaktion unter Umgehung von Banken und Staaten ziemlich plausibel. Und die im Nachgang der Finanzkrise 2008 eintretende Eurokrise ab 2011 dürfte wesentlich zur explosionsartigen Verbreitung von Kryptowährungen beigetragen haben. Inzwischen gibt es aber auch kaum eine Bank oder Zentralbank, die nicht bereits die Kernidee des Bitcoins studiert, Transaktionen dezentral in einer sogenannten Blockchain-Datenbank aufzuzeichnen und so ohne zentrale Klärungsstelle Geld zwischen zwei Teilnehmern zu transferieren. Damit würden die Transaktionskosten drastisch fallen.

Im Jahre 2019 hat sich der Selektionsdruck auf die aktuell rund 850 Kryptowährungen derweil weiter erhöht. So etwa in Bezug auf das Problem, was der wahre Wert einer Kryptowährung ist, wenn man nicht den energetischen Wert der ,,Schürfkosten‘‘ nutzen will. Man kann nämlich wie der US-Ökonom Nouriel Roubini argumentieren, dass der Nutzen einer Kryptowährung gerade wegen der hohen Energiekosten seiner ,,Produktion‘‘ negativ ist.

Ist das dann aber der Preis für die dezentrale, anonyme Zahlung ohne Gegenparteienrisiko von Banken und Pleiterisiko von Staaten? Was passiert denn eigentlich bei einem Stromausfall? Wie hoch ist dann noch die Reichweite der Transaktionen? Die Jury dazu tagt noch…

Unterdessen schreitet die Suche nach Lösungen des Vertrauens-, Kosten- und Liquiditätsproblems weiter voran und hat einige interessante Neuerungen hervorgebracht. Es werden die Vorteile der sicheren Transaktion mit vertrauensbildenden Lösungen in seine Nachhaltigkeit kombiniert. Eine davon ist die Unterlegung mit Edelmetallen. Dies kann dann auch mit einer Kreditkarte oder einem Überweisungsauftrag kombiniert werden. Funktioniert die Kryptowährung aus bestimmten Gründen nicht mehr, bleibt noch das physische Metall als Wertspeicher.

Der zentrale Punkt: Das Edelmetall wird unabhängig, in einem separaten Unternehmen, in mehreren Tresoren weltweit physisch gelagert, täglich extern geprüft und gehört dem Kontoinhaber. Sollte das Unternehmen in Konkurs gehen, geht das Edelmetall direkt an den Kontoinhaber. Zudem: Ein Startup in London bietet sogar eine Verzinsung auf die Edelmetallbestände aus der Gewinnbeteiligung für die Token.

In dieses Bild passt auch, dass vor einigen Wochen Wladimir Potanin, Russlands reichster Mann und Präsident des weltgrößten Palladiumproduzenten Norilsk Nickel, Pläne zur Tokenisierung von Palladium ankündigte. ,,Die Menschen nutzen mehr und mehr dezentralisierte Netzwerke und Plattformen, die keinen obersten Verantwortlichen haben. Wir wollen aktive Teilnehmer dieses Prozesses sein‘‘, sagte er. Es wird deshalb derzeit an mehreren digitalen Plattformen gearbeitet, für die auch eigene Token erstellt werden sollen. Die digitalen Münzen sollen an Palladium gekoppelt sein.

Dabei soll die Plattform flüssigere Transaktionen gewährleisten. Sollte ein Käufer von Palladium zum Beispiel feststellen, dass er nicht die gesamte vertraglich vereinbarte Menge Palladium benötigt, muss er bisher entweder mit dem Lieferanten neu verhandeln oder es auf Lager nehmen, bis er einen Käufer gefunden hat. Mit einem tokenisierten Vermögenswert könnte er jedoch das überschüssige Volumen leichter an einen Dritten verkaufen. Herausgeben soll die Token ein in der Schweiz ansässiger Palladiumfonds, wobei die spätere Ausweitung auf andere Metalle geplant ist, da Norilsk Nickel in großen Mengen auch Kupfer und Nickel produziert. Der Trend zur Tokenisierung vor allem von Edelmetallen gewinnt damit weiter an Fahrt.

Fazit: Die Verbindung der Vorteile dezentraler, öffentlich kontrollierter Finanztransaktionen mit dem realen Wert von Edelmetallen erscheint als aussichtsreicher Weg, Zahlungen vom geringen Vertrauen in das Bankensystem, aber auch in rechtlich instabile Währungsräume, zu befreien. Trotz des gebotenen realistischen Blickes auf diese Innovationen ergeben sich für den Privatanleger bedeutend mehr Handlungsalternativen. Alles in allem spannende Aussichten. Dass sich diese im Kontext einer überschuldeten, wachstumsschwachen Weltwirtschaft bilden, ist aber wohl doch mehr als Zufall, nämlich Reaktion auf diese zur Erhaltung individueller Handlungsfreiheit. Spannende Aussichten, im doppelten Sinne!

 

10.04.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de





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