Der Euro vor einem neuen Schwächeanfall?
Euro-Dollar: Was sagt der Chart?
Die Erwartungssteuerung der Notenbanken bezüglich der Geldpolitik ist schon eine verzwickte Sache. Man weiß als Notenbanker eben nie, in welchen Hals der Markt die eigene ,,Forward Guidance‘‘ und ähnliche kommunikative Strategien bekommt. Die Einsicht wächst in den USA, dass es diese Strategie die Märkte nicht von ihrem selbstreferenziellem Bestätigungsdruck abhält. Und die Erkenntnis ist auch nicht neu, dass die Notenbanken nur allzu oft dem Markt hinterherhinken, also ,,behind the curve‘‘ sind.
US-Notenbank will sich nicht vereinnahmen lassen
Dies ist insbesondere in der Spätphase eines Konjunkturzyklus problematisch, weil es eine zeitnahe Geldpolitik erschwert. Allerdings verbleibt eben noch die Option, dass eine zu sagen und das Gegenteil zu machen. Das Narrativ zu definieren ist eine der Luxusrechte der Medienwelt. Und nachdem der Vorsitzende der Federal Reserve, Jerome Powell, meinte, dass die US-Zentralbank eine ,,nachhaltige Expansion für die US-Wirtschaft wahrscheinlich halte, braucht man sich über einen erstarkenden US-Dollar nicht zu wundern.
Vor dem gemeinsamen Wirtschaftsausschuss des US-Kongresses am Mittwoch wies er denn im Kampf um die Deutungshoheit gegen das Weiße Haus den Eindruck zurück, man benötige jetzt negative Zinsen, um die Wirtschaft wieder stärker in Schwung zu bringen. Für Powell und seine Notenbankkollegen ist klar, dass bei der derzeitigen Wachstumsrate, dem starken Arbeitsmarkt und einer stetigen Inflationsrate kein Bedarf besteht, so tief in die Werkzeugkiste der Geldpolitik zu greifen. Ein Blick nach Europa zeigt ein abschreckendes Beispiel.
,,In Zukunft erachten meine Kollegen und ich eine nachhaltige Expansion der Wirtschaftsaktivität, einen starken Arbeitsmarkt und Inflation nahe unseres symmetrischen 2%-Ziels als am wahrscheinlichsten. Diese vorteilhafte Basislinie spiegelt teilweise die politischen Anpassungen wider, die wir zur Unterstützung der Wirtschaft vorgenommen haben‘‘ führte Powell aus. Nennenswerte Risiken sieht er allerdings im lahmen Wachstum im Ausland und den Handelskonflikten.
Das sauberste aller dreckigen T-Shirts
Die Einordnung der massiven Kehrtwende der US-Notenbank am Repo-Markt mit der Folge einer erneuten Bilanzausweitung sei hier einstweilen nicht näher behandelt. Im Vergleich zur Bilanz der EZB ist das T-Shirt der USA allerdings ziemlich sauber, weshalb nicht wenige Marktteilnehmer den US-Dollar als das sauberste aller dreckigen T-Shirts bezeichnen.
Was impliziert diese Lage? Ein Blick auf den Kursverlauf des Euros gegen den US-Dollar zeigt einen intakten Abwertungstrend des Euro, der zwischen 1,12 und 1,088 Dollar eingeklemmt ist. Ein Unterschreiten der Märkte von 1,0880 Dollar wäre technisch der Startschuss einer neuen Abwärtsbewegung in Richtung 1,0340 Dollar. Die Unterstützungen vom Oktober 2016 und Mai 2017 sind alles andere als solide. Ein zu häufiger Test schwächt diese schnell, weshalb man nicht damit rechnen sollte, dass sie bei einer anschwellenden Kapitalflucht aus dem Euro lange halten.
Der geldpolitische Sündenfall der EZB 2014/2015
Ein Blick auf den Kursverlauf seit der Einführung des Euro zeigt denn auch, dass das charttechnische Porzellan beim Euro-Dollar-Verhältnis zwischen Juli 2014 und Mai 2015 zerschlagen wurde. Grund waren die geldpolitischen Beschlüsse der EZB 2014. Auslöser des charttechnisch wichtigen Durchbruchs unter die wichtigen Marken von 1,204 Dollar und 1,188 Dollar war dann aber ab Januar 20165 beschlossene Erweiterung des Anleihe-Ankaufprogramms (expanded Asset Purchase Programme - APP), dessen Laufzeit danach noch zweimal verlängert und dessen Volumen ausgeweitet wurde.
Die Tiefstkurse des Euro vom Januar 2017 sind technisch deshalb auch noch nicht wirklich das letzte Wort. Die gestrichelte Unterstützungslinie im Chart, die dieses Zyklustief markiert, ist nicht Teil eines symmetrischen Bodens. Zudem konnte sich der Euro in der Erholungsbewegung ab April 2017 nicht wieder nachhaltig über den genannten ehemaligen Unterstützungen, die nun Widerstände geworden waren, etablieren. Insofern ist das Signal, was mit der gelb markierten Abwärtsbewegung ausgelöst worden ist, weiterhin gültig.
Was der Chart auch zeigt, ist, dass die Marke von 1:1 technisch nicht wirklich stark ist. Ein Durchbruch unter das Zyklustief bei 1,034 vom Januar 2017 könnte deshalb der Auftakt für einen Absturz in Richtung 82 US-Cent je Euro sein.
Fundamental gerechtfertigt wäre dies, wenn die bereits stumpfe Geldpolitik der Negativzinsen durch zusätzlich expansive Maßnahmen ergänzt wird, die die von der US-Notenbank möglicherweise eingeleitete geldpolitische Lockerung relativ übertrumpft. Dies würde sowohl das institutionelle Vertrauen in die EZB weiter deutlich schwächen. Es würde aber auch die Zinsdifferenz weiter vergrößern. Aus dieser Perspektive ist das beschriebene Szenario vielleicht wahrscheinlicher als der Markt bisher antizipiert.
Fazit
Der Euro befindet sich in einem intakten Abwärtstrend und steht vor wichtigen Unterstützungslinien, Erholungsbewegungen eingeschlossen. Ein Bruch der wichtigen Unterstützungs-Marken von 1,088 Dollar und 1,034 Dollar wären Trendbeschleunigungsschwellen, die das Euro-Risiko stark erhöhen würden. Empfehlenswert ist deshalb, diese Marken im Blick zu halten. Sollte sich das Szenario eintreten, wäre eine schnelle Absicherung als auch eine weitergehende Diversifikation zur Senkung des Währungsrisikos des Euro angebracht.
14.11.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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