als .pdf Datei herunterladen

Fließt iranisches Öl bald bergauf nach China?

Ein Marktbericht von Arndt Kümpel

 

Kaum beachtet von der westlichen Presse und parallel zur Verschärfung der US-Sanktionen gegen den Iran, vollzieht dieser derzeit einen strategischen Schwenk an seiner Ostgrenze. Im Zuge dessen machte Irans Außenminister Zarif am 23.05.2019 bei einem unangekündigten Besuch in Pakistan den Vorschlag, den iranischen Hafen von Tschahbahar mit dem pakistanischen Hafen in Gwadar zu verbinden. Er glaube, dass sich beide Häfen komplementär ergänzen und Pakistan eine Möglichkeit biete, seinen Hafen Gwadar durch den Iran auf dem Landweg mit Turkmenien, Kasachstan Aserbaidschan, Russland und der Türkei zu verbinden. Im Blick hatte er aber wohl mehr die Möglichkeit, dadurch China iranisches Öl über Pakistan zu liefern.

 

Indiens Sorgen

 

Das dürfte dem neuen indischen Außenminister, einem Verfechter einer engeren Beziehung Indiens mit den USA, einige Sorgen machen. Denn der politische Druck der USA auf Indien führte dazu, dass Indien vom Iran kein Öl mehr abnahm und damit nun ein Grund wegfällt, Indien eine strategische Exklusivität über Tschahbahar einzuräumen. Indien hat in den Hafen in Tschahbahar strategisch investiert, um einen Landzugang nach Zentralasien und Afghanistan unter Umgehung Pakistans zu erhalten. Und so beeinträchtigen die Kollateralschäden der US-Strategie, sicherheitspolitische Abweichungen mit Wirtschaftssanktionen zu beantworten, auch im Falle Indiens eine vertrauensbasierte Erweiterung und Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit. Strategische Interessenkonvergenz hin oder her, Sanktionen schaffen kein Vertrauen.

Da hilft auch ein Blick in den neuen, am 01.06.2019 veröffentlichten indopazifischen Strategiereport des US-Verteidigungsministeriums nicht weiter. Hinzu kommt, dass das Bemühen Pakistans, im afghanischen Hinterland und nun auch mit dem Iran ,,strategische Tiefe‘‘ gegenüber Indien zu gewinnen, nicht dazu beiträgt, den Konflikt zwischen Pakistan und Indien zu entschärfen. Zudem: Ob dadurch der Konflikt um Einfluss auf die Geschicke Afghanistans zwischen Indien und Pakistan geringer und der angestrebte bessere Zugang Indiens nach Zentralasien leichter wird, darf stark bezweifelt werden.

 

Pakistan und China

 

Denn Pakistan hat mit China den Elefanten in seinen wirtschaftlichen Porzellanladen gelassen. Die Basis ist der von Indien abgelehnte China-Pakistan-Economic-Corridor (CPEC), das Flaggschiff-Projekt und einer der sechs Handels- und Infrastrukturkorridore der Neuen Seidenstraße Chinas. Dessen Volumen soll bei mindestens 46 Mrd. US-Dollar liegen und damit größer werden als alle ausländischen Investitionen in Pakistan seit 1970 zusammen. Die zunehmende Umsetzung des CPEC sichert China eine stark steigende Integration in Südasien und ändert damit auch die Sicherheitslage zu seinen Gunsten. Das Großmanöver Tropex 2019 war am Ende weniger ein Signal an Pakistan als an China. Denn es steht die Vermutung im Raum, dass China Pakistan nutzt, um den Einfluss Indiens einzudämmen! Man kann es auch mit den Worten des indischen Premierministers Modi ausdrücken: Die Erhöhung der Konnektivität Chinas sollte Souveränitätsfragen nicht ignorieren.

Ein weiterer ,,Stakeholder‘‘ dürfte einstweilen aufhorchen. Saudi-Arabien investiert im Rahmen des CPEC 10 Mrd. US-Dollar in eine Ölraffinerie am Hafen Gwadar mit Zustimmung und unter dem Schutz Chinas. Damit steigen Pakistans alternative Quellen der Energieversorgung und erhöht sich der Druck auf den Iran, sich in Richtung China zu bewegen. Am Ende könnten dann die US-Sanktionen indirekt die Versorgung Chinas mit Öl aus Iran und Saudi-Arabien verbessert haben. Unintended consequences?

 

Die Thukydides-Falle

 

Es riecht langsam ein bisschen nach Thukydides-Falle. Dieser Ausdruck bezieht sich auf eine Theorie, wonach der Aufstieg einer neuen Macht bei der etablierten Macht Ängste verursacht, was schließlich zu Konflikten oder Kriegen führt. Die Probleme fangen aber spätestens dort an, wo der Verweis auf Thukydides Ansatz einen analytischen Wert und damit das Potenzial einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung erhält. Überlegene Einsichtsfähigkeit sieht anders aus. Ob sich die USA geostrategisch überdehnen, hängt auch von den Strategien Chinas, Russlands und anderer Vertreter einer sogenannten multipolaren Weltordnung ab, auch wenn diese bisher nicht wirklich durch innere Multipolarität aufgefallen sind. Ein Fisch ohne Kiemen geht eben nicht einfach so als Vogel durch.

Und apropos Fisch: Die obige Entwicklung von Handelsrouten ist keine originär chinesisch getriebene. Lange vor Chinas erster Öffnung nach Westen gab es spätestens ab Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. kulturellen Austausch, dem typischerweise Handel folgte. Entlang der historischen Amu-Straße, die von Samarkand, Buchara, Merw, Maschhad über Schahr-e-Suchte nach Hormuz führte, von wo die Waren nach Mesopotamien gingen.  Aber auch zwischen der Induskultur, Belutschistan und dem heutigen Oman, wie Funde im Oman und in Dschiroft im Südiran nahelegen.

Insofern ist die aktuell sanktionsgetriebene Entwicklung nur eine Erinnerung an eine nicht zuletzt wirtschaftsgeografisch vorgeprägte Konstellation, die nun politisch regionalen Rückenwind erhält. Auf dem G20-Gipfel Ende der Woche in Japan wird also genug Gesprächsbedarf für alle vorhanden sein. Man kann nur hoffen, dass der Wille dazu ebenso groß ist wie das Bewusstsein um die zugrunde liegenden Ressourcenkonflikte und ihre historischen Pfadabhängigkeiten.

 

24.06.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de





Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur


Bitte geben Sie die Anzahl der unten gezeigten Eurozeichen in das Feld ein.
>

 



Bewertungen, Kommentare und Fragen an den Redakteur

 

 

Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)