Hat der Hongkong-Dollar Fieber?
Der Hongkong-Dollar: Fieberthermometer des Vertrauens?
Als vor 22 Jahren der Union Jack über Hongkong eingeholt wurde, hatte wohl niemand eine Ahnung von der Eigendynamik, die sich jenseits der Stadtgrenze im Festlandchina unter der Ägide Deng Xiaopings entwickelte. Er war es aber, der die Übergabe der britischen Kronkolonie an China 1997 verhandelte. Bereits 1979 hatte er dem Gouverneur Hongkongs, MacLehose, sein koevolutives Modell vorgestellt, was später unter der Überschrift ,,Ein Land, zwei Systeme‘‘ bekannt wurde. Aber Deng wollte die volle Souveränität über Hongkong und die 50 Jahre Basic Law waren wohl auch die Zuckerglasur über der bitteren Pille für Großbritannien, das der 99-jährige Pachtvertrag 1997 auslaufen sollte. Die gemeinsame britisch-chinesische Erklärung vom 19.12.1984 zur Übergabe Hongkongs erklärte in § 3 Abs. 5 eindeutig, dass insbesondere die zuvor geltenden Freiheiten wie Presse- Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie das Streikrecht für 50 Jahre durch China garantiert werden.
Diese Rechte fordern die Hunderttausenden Demonstranten auch aktuell ein und die brisante Frage der Rechtsgüterabwägung bleibt, was das praktisch für die Ausübung der effektiven Souveränität Chinas über Hongkong bedeutet. Würde ein Einmarsch von paramilitärischen Truppen dadurch legitimiert werden können, dass es die Durchsetzung der den Bürgern Hongkongs garantierten Rechte als Angriff oder als Einschränkung seiner Souveränität sieht?
Die Strategie Deng Xiaopings
Deng Xiaoping hatte gegenüber Margret Thatcher angedeutet, China könne auch Gewalt bei der Wiederherstellung der chinesischen Souveränität in Hongkong anwenden. Dies war am Ende nicht nötig, da Thatcher schließlich kompromissbereit war. Deng starb vier Monate vor der Übergabe Hongkongs an China. Was blieb, war der politische Erfolg einer militärischen Drohung. Der aktuelle Präsident Chinas wird dies wohl kaum vergessen haben. Die Demonstranten ihre Freiheiten aber auch nicht.
Ob sich in Hongkong der Systemkonflikt von Individualrechten der Bürger und dem umfassenden Machtanspruch der KP Chinas auf so hohem Wohlstands- und Vertrauensniveau noch länger unter den Teppich kehren lässt, wird wohl bald entschieden. Denn das Vorgehen Präsident Xi’s birgt nicht nur das Risiko bürgerkriegsähnlicher Zustände, sondern auch massiver Kapitalflucht, weltweiter Ächtung und der rückwirkenden Neuinterpretation der globalen Strategie Chinas für mehr Macht. Präsident Xi wird auch nicht vergessen haben, wie lange China nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 am Pranger stand.
Der Einsatz im Poker ist hoch!
Man darf hierbei getrost davon ausgehen, dass nicht zuletzt die Einwohner Hongkongs dem Risiko einer militärischen Übernahme Chinas zuvorkommen und es zu einer massiven Kapitalflucht aus dem Hongkong-Dollar kommt. Die Devisenreserven Hongkongs, die im Juni 2019 bei über 445 Mrd. USD lagen, dürften damit schnell dahinschmelzen. Wer nicht genug Fantasie hat, sich dies vorzustellen, erinnere sich daran, dass die Devisenreserven Chinas nach der Abwertung des Yuan im August 2015 in eineinhalb Jahren knapp um fast 1000 Mrd. USD abnahmen. Der mit einem militärischen Einmarsch verbundene Crash am Immobilienmarkt Hongkongs wäre wohl auch der Sargnagel für die Bindung des Hongkong-Dollar an den US-Dollar. Wie die unten stehende Grafik zeigt, hat sich das Currency-Board-System mit der Bindung des Hongkong-Dollars an den US-Dollar im Verhältnis 7,8:1 bewährt und ist einer der tragenden Säulen der Attraktivität Hongkongs.
Gleichwohl kam es seit Anfang 2018, wie auf der zweiten Grafik ersichtlich wird, zu einer Verlagerung der Monatsschlusskurse von Kursen unterhalb des Mittelwertes von 7,8 hin zu einer Ballung oberhalb des Referenzkurses. Es wird genau zu verfolgen sein, ob diese Schwankungen zu Kursen oberhalb von 7,85 Hongkong-Dollar führen und wie sich parallel dazu die Devisenreserven Hongkongs entwickeln!
Sollte das Vertrauen der Kapitalmärkte in die im Vergleich zu China viel höhere Rechtsqualität zerstört werden, dürften die finanziellen Detonationswellen sehr wohl auch in Peking zu hören sein. Ob sich dies mit noch mehr Liquidität der Notenbank oder einem neuen Konjunkturprogramm ausgleichen ließe, darf stark bezweifelt werden.
Fazit: Bis 2047 wird China die Illusion ,,Ein Land, zwei Systeme‘‘ nicht aufrechterhalten wollen. Denn dieser politische Kompromiss ist eben auch eine ständige Erinnerung an eine unrühmliche Kolonialzeit, die man lieber heute als morgen vergessen machen will. Eine Kapitalflucht aus dem Hongkong-Dollar, möglicherweise verbunden mit einer weiteren Abwertung des chinesischen Yuan, wäre ein deutliches Anzeichen für einen politischen Highländer-Endkampf unter dem Motto: Es kann nur Einen (ein System) geben.
19.08.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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