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MTU vs. Safran: Turbinenhersteller im Steigflug

Das Börsenduell

NTG24 - MTU vs. Safran: Turbinenhersteller im Steigflug

 

Die weltführenden Flugzeugausrüster im Kernsegment der Turbinen und Motoren, MTU (DE000A0D9PT0) und SAFRAN S.A. (FR0000073272) verbindet bereits eine lange Historie, und zwar natürlich über den ursprünglichen „Kampf“ an den verschiedenen nationalen, französischen wie deutschen Fronten während des Ausbreitung des Nationalsozialismus in Deutschland sowie des anschließenden Eintritts beider Nationen in den 2. Weltkrieg. Wie aus ehemaligen national feindlich gesonnenen Unternehmen im Zuge anschließender stabiler politischer Entspannungsprozesse trotz weiterhin konkurrierender Kernbereiche dennoch im Zeitablauf auch zugleich wachsende Kooperationspartnerschaften mit gleichzeitiger Ertragsstützung zum Wohl beider Gesellschaften hervorgehen können, illustriert die Geschichte von MTU und Safran bestens. Auf Basis dieser gerade im Wirtschaftsbereich selten anzutreffenden Strategie, sich in diversen besonders relevanten Geschäftsprojekten auch durchaus pragmatisch „mit dem Feind zu verbünden“, unterziehen wir die Aktien von MTU und Safran in dieser neuen Ausgabe des BÖRSENDUELLS daher nun einer vergleichenden Analyse.

 

Chart:  MTU gegen SAFRAN und STOXX 600-Index

 

Chart: MTU vs. SAFRAN und STOXX 600-Index

 

Historie und Geschäftsstruktur von MTU und SAFRAN

 

Die heute in München (sowie bis 1960 zusätzlich in Friedrichshafen) hauptansässige MTU entstand 1934 unter dem Namen Motoren und Turbinen - Union und hatte in dieser Phase beginnender Operationen der nationalsozialistischen Regierung zu einer Ausweitung des Deutschen zu einem „Großdeutschen“ Reich ausschließlich den Auftrag, diese militärischen Expansionspläne durch entsprechende LKW-, Schiffs- und Flugzeugantriebstechnologien nachhaltig zu unterstützen. Ab 1960 wurde MTU Friedrichshafen in seiner ausschließlichen Verlegung auf die Herstellung von Kfz- und Schiffsmotoren jedoch aus dem MTU-Konzern ausgegliedert und an Daimler verkauft, so dass seit dieser Zeit das heute MTU Aero Engines AG lautende Unternehmen seine Tätigkeit ausschließlich auf die Herstellung von Flugzeugantriebssystemen konzentriert. In diesem Kernmetier der Herstellung von diversen Antriebsaggregaten und -komponenten stieg MTU dabei erst 1971 in den Bereich der zivilen Luft- und Raumfahrt ein. Zuvor war das Geschäft weiterhin ausschließlich auf militärische Anwendungsbereiche ausgerichtet.       

Heute trägt der Umsatz von MTU in militärischen Flugzeugantriebstechnologien nur noch knapp 10 % zum gesamten Konzernumsatz bei.  Im weit dominierenden zivilen Luft- und Raumfahrtsegment von MTU liegt der Schwerpunkt vor allem in der Herstellung von Niederdruckturbinen, Hochdruckverdichtern und Turbinenzwischengehäusen sowie deren zugehörigen entsprechenden Wartungsdienstleistungen. Aktuell enthält in etwa jedes dritte weltweit ausgelieferte Verkehrsflugzeug Antriebsaggregate von MTU. Vor allem zählt der Konzern heute zu den weltweit 5 größten Herstellern und Wartungsdienstleistern für Flugzeugmotoren und Industriegasturbinen. Rd. 2/3 des Produktabsatzes von MTU erstrecken sich hierbei auf Nordamerika, 20 % auf Europa, und 14 % auf übrige Weltregionen.

 

Flugzeugturbine

Bildnachweis: © Deutsche Lufthansa AG

 

Die französische SAFRAN S.A. entstand hingegen erst 2005 aus der Fusion der zuvor in nennenswertem Staatsbesitz befindlichen Konzerne SNECMA und SAGEM.

SNECMA wurde jedoch bereit im Mai 1945, also mit Beendigung des 2. Weltkriegs, gegründet und stellt bis heute unter der Divisionsbezeichnung SAFRAN AIRCRAFT ENGINES sowohl Flugzeugmotoren wie auch selbst hochleistungsfähigste Raketentriebwerke, z. B. für die Trägerraketen der 1980 initiierten Ariane-Serie, her.  Das zweite heutige Standbein der Safran S.A., SAGEM, entstand hingegen bereits 1924 als ehemals rein militärischer Luftverkehrsausrüster und stellt heute im Wesentlichen militärelektronische und biometrische Sicherheitssysteme her. In ihren einzelnen Produktfeldern ist SAFRAN aktuell z. B. die weltweite Nr. 1 in der Herstellung von Helikopter-Motoren, Nr. 2 in Raketenantrieben, Nr. 1 in Flugzeugfahrwerken sowie auch Nummer 1 in der biometrischen Identifizierung von Fingerabdrücken. Darüber hinaus werden auch Brems-, Verkabelungs-, Flugsteuerungs- und kameragestützte Aufklärungssysteme hergestellt.

Der Beitrag militärischer Luftverkehrslösungen zum Konzernumsatz von Safran liegt demzufolge deutlich höher als bei MTU und beläuft sich auf über 35 %. Zudem unterscheidet sich auch die geographische Geschäftsausrichtung von Safran beträchtlich von der der MTU. So entfallen nur rd. 37 % des Konzernumsatzes auf den gesamten panamerikanischen Kontinent (MTU dagegen allein 66 % nur in Nordamerika), 40 % auf Europa (MTU 20 %) und fast 25 % auf Asien und Afrika.

Gemessen an der Aktienmarktkapitalisierung von aktuell 63 Mrd. Euro ist Safran S.A., die sich auch weiterhin zu 11,7 % im französischen Staatsbesitz befindet, im Übrigen mehr als 5mal so groß wie MTU.

 

Ertragssteigernde Kooperationsprojekte von MTU und SAFRAN

 

Trotz ihrer sehr vergleichbaren Geschäftsstärken im Bereich der Entwicklung von Flugzeugmotoren und -turbinen (die aber bei Safran natürlich noch in erheblichem Maße um weitere Flugzeugkomponenten ergänzt wird), überrascht es jedoch sehr, dass entgegen dieser vermeintlichen Konkurrenzwahrnehmung MTU uns SAFRAN schon seit Jahrzehnten im Rahmen vieler Flugzeugausrüstungsprojekte ebenfalls auch partnerschaftlich aktiv miteinander kooperieren und auf diese Weise ertragssteigernd für beide Konzerne der nur allzu verbreiteten Gefahr eines margensenkenden Wettbewerbs ein gutes Stück zum Wohl beider Unternehmen entgegenwirken.

Idealer Wegbereiter dieses in Teilen partnerschaftlichen Gleichklangs zwischen MTU und SAFRAN ist ohne Frage das bis heute ebenso vorbildliche, grenzüberschreitende europäische Luft- und Raumfahrt-Gemeinschaftsprojekt der AIRBUS-Produktion gewesen. An deren Flugzeugproduktion, Komponentenausstattung und Wartung sind seit dem Airbus-Produktionsstart ab 1970 mittlerweile ca. 200 führende sog. Tier 1 - Lieferanten ganzer Baugruppen beteiligt, und dies natürlich vorrangig aus den Hauptproduktionsländern Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien.

Insofern nimmt diese, durch die EADS-Gründung in 2000 noch weiter forcierte, weitgehend reibungslose Partizipation von MTU wie SAFRAN an der Erfolgsstory von AIRBUS (siehe hierzu auch unser BÖRSENDUELL vom 06.10.) dem eigentlichen Wettbewerb zwischen diesen beiden Konkurrenten seither vieles von seiner Schärfe. Beispiele hierfür sind z. B. die Gründung eines gemeinsamen je 50 %-igen Joint Venture-Unternehmens „AES Aerospace Embedded Solutions“ 2013 in München, das der gemeinschaftlichen Entwicklung elektronischer Luftfahrtsicherheitssysteme und u.a. auch des Antriebssystems TP 400-D6 für Airbus-Militärtransportflugzeuge dient. AES gewann für dieses erfolgreiche Joint Venture daher in 2015 sogar auch den deutsch-französischen Wirt­schafts­preis in der Kate­gorie „industrieller Ko­operation“. Daneben unterhält Safran auch seit über 20 Jahren mit MTU das gemeinschaftliche Werk Ceramic Coating Center (CCC) in Chatellerault im Westen Frankreichs, wo MTU-Turbinen durch Safran in einem technologisch weltführenden Spezialverfahren mit höchst temperaturbeständigen Beschichtungen versehen werden.

 

Boeing Flugzeugbau

Bildnachweis: © Deutsche Lufthansa AG

   

Dagegen stehen speziell in den USA, vor allem im Kampf um Motor- und Turbinen-Aufträge des dort führenden Flugzeugbauers BOEING, wie aber auch Asien MTU und SAFRAN überwiegend im direktesten unmittelbaren Wettbewerb zueinander.

Somit dürften die überlappend in direkter Wettbewerbskonkurrenz zueinander stehenden Konzernumsatzanteile zwischen MTU und SAFRAN im Falle von MTU wohl kaum mehr als rd. 60 % ihres Konzernumsatzes, im Falle der geographisch und produktseitig wesentlich breiter aufgestellten Safran dagegen wohl sogar nur rd. 30 % ihres Konzernumsatzes ausmachen.

 

Geschäftsentwicklung MTU und SAFRAN 3. Quartal 2019

 

Gerade auch die wachsende partnerschaftliche Kooperation zwischen MTU und SAFRAN führt also ganz offensichtlich für beide Konzerne zunehmend zu einer gleichermaßen gegebenen Ertragsstabilisierung, so dass es auch kaum verwunderlich ist, dass einleitend dargestellter Aktien-Vergleichschart vor allem seit Mitte 2016 einen zunehmend starken Gleichlauf beider Aktienkurse aufzeigt.

Entgegen der international überwiegend verbreiteten Unternehmensphilosophie, dass Konkurrenten sehr ähnlicher Geschäftsprofile vermeintlich „bis aufs Messer zu bekämpfen seien“, um sich letztlich erfolgreich zu behaupten, belegt das Gegenbeispiel MTU - SAFRAN hingegen umso deutlicher, dass auch strategische „Paktbildungen mit dem Feind“ durchaus erfolgreichere Lösungen zu einer nachhaltigen Ertragssteigerung beider „Feinde“ darstellen können.      

Trotz dieser vielfältigen Kooperationsprojekte übertraf SAFRAN hinsichtlich ihrer zuletzt publizierten Umsatzentwicklung zum 3. Quartal (wir analysierten diese bereits eingehend am 31.10.) die gleichzeitige Umsatzentwicklung von MTU aber dennoch deutlich. So verzeichnete Safran im 3. Quartal inkl. Neuakquisitionen gegenüber dem Vorjahr eine Umsatzausweitung um 14 % (auf 9 Monats-Basis gar um 23 %). Bei MTU stagnierte der Umsatz jedoch weitgehend (im 3. Quartal sogar ein Umsatz-Minus von - 1 % gegenüber dem Vorjahr, auf 9 Monats-Basis + 3 % ggü. Vorjahr).

Hierbei kommt also nun doch klar zum Ausdruck, dass die wesentlich stärkere Geschäfts- und auch Regionendiversifikation von SAFRAN ein erheblicher Vorteil gegenüber MTU ist und wohl auch längerfristig bleiben dürfte. Denn entsprechend publizierte SAFRAN zum 3. Quartal ergänzend, dass sowohl Motor- und Turbinenauslieferungen für Kleinjets und Helikopter (worin MTU kaum tätig ist), wie aber auch die anhaltend hohe Nachfrage nach elektronischen Flugsteuerungssystemen und Innenausstattungen (ebenfalls kein nennenswerter Bereich von MTU) erheblich zu dieser positiven Umsatzentwicklung beigetragen haben.

 

Chart:  Relative Stärke MTU vs. SAFRAN

 

Relative Stärke MTU vs. SAFRAN

 

Aktienbewertung und Positionierungs-Empfehlung MTU vs. SAFRAN

 

In den wesentlichen fundamentalen Aktienbewertungskennziffern liegen MTU und SAFRAN aktuell nahezu gleichauf. So stellt sich bei einer aktuellen operativen Marge von rd. 16 % sowie einer Eigenkapitalrendite von rd. 22 % beider Konzerne deren geschätztes KGV (2020e) derzeit ebenfalls gleichermaßen auf ca. 22.

Dies wird dem oben angeführten Diversifikations- und Größenvorsprung von SAFRAN gegenüber MTU unseres Erachtens jedoch in keiner Weise gerecht. Wir bewerten diese unangemessene Diskrepanz jedoch nicht als eine Überbewertung der MTU-, sondern vielmehr als eine spürbare Unterbewertung der SAFRAN-Aktie.

Zur weiteren Nachvollziehung unserer strategischen Positionierungen in beiden Aktien verweisen wir auf unsere erfolgreich geführten Strategiedepots AKTIEN SPEKULATIV (MTU) sowie AKTIEN KONSERVATIV (SAFRAN), in denen beide Titel gegenwärtig enthalten sind. Zugleich finden sich beide Aktien außerdem auch in unserem flexibel allokierenden Strategiedepot VERMÖGENSSTREUUNG wieder.

 

 

10.11.2019 - Matthias Reiner - mr@ntg24.de

 

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  • Moritz Heinz - 15.11.2019 13:54:01 Uhr


 

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