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Platin: Schwung holen unter dem Radar

Ein Marktbericht von Arndt Kümpel

 

Die erste Handelswoche im April war für Platininvestoren eine gute Woche. Es war die Erleichterung zu spüren, die aus der Gegenbewegung zu der dominanten der letzten Monate resultierte. Denn da gab es nur einen Star am Edelmetallhimmel, und der war Palladium. Nachdem Palladium am 21.03.2019 mit 1615,50 US-Dollar ein neues Allzeithoch markiert hatte, korrigierte der Preis deutlich und erreichte zum Wochenschluss ein Zwischentief von intraday 1326,66 US-Dollar. Gleichwohl ist der anhaltende starke Kursanstieg von Palladium für die meisten Analysten eine Überraschung.

Er lässt sein Schwestermetall Platin aussehen wie Aschenputtel im Vergleich zu den Stiefschwestern, die sich für den Ball des Königs herausputzen. Und wir wissen ja, wie das Märchen endet. Im übertragenen Sinne und besten Falle liegt also die Verwandlung einer staubigen Magd in eine prinzessinnengleiche Gestalt vor uns.

Auf Platin gemünzt heißt dies: Die technischen Startbedingungen haben sich mit dem Wochencandle per 05.04.2019 deutlich verbessert. Die Mustervermutung der Analyse vom 12.12.2018 ist vorläufig bestätigt und besagt, dass Platin einen doppelten Doppelboden gebildet hat. Der erste Boden der größeren Doppelbodenformation wurde im Oktober 2008 gebildet, der zweite von August 2018 bis Februar 2019. In diesem zweiten Boden hat sich erneut ein Doppelboden gebildet, von dem sich der erste vom 15.08.2018 bis 18.09.2018 bildete. Der qualitativ zweite Boden dieses kleineren Doppelbodens formte sich zwischen dem 30.11.2018 und dem 22.02.2019. Die Nackenlinie dieses kleineren Doppelbodens liegt bei 880 US-Dollar und wurde in dieser Woche signifikant, mit guten Umsätzen und einem Schlusskurs von 901,35 US-Dollar überwunden. Damit hat der Platinpreis auf Wochenbasis ein starkes strukturelles Kaufsignal gegeben.

Richtig spannend wird allerdings die Interpretation, dass das Signal der überwundenen Nackenlinie auch die Vollendung des zweiten großen Bodens darstellt und damit eine gewaltige Trendumkehr- Formation ankündigt. Dabei wurde die Trendlinie des Abwärtstrends ab Februar 2013 im vergangenen Monat bereits gebrochen. Der übergeordnete Abwärtstrend, der durch das Allzeithoch im März 2008 generiert wurde, verläuft derzeit bei ca. 1075 US-Dollar und bildet so einen potenziellen Kreuzwiderstand mit dem Zwischenhoch vom Mai 2016.

Eine fraktale Musteranalyse gibt auch erste Hinweise auf das Muster des erwarteten neuen Aufwärtstrends, der in der Strukturbildung seit Ende Februar 2019 zu suchen ist.

Marktdynamische Gründe unterstützen dies. Die Herde der Momentum-Investoren fand Platin aufgrund seines jahrelangen Abwärtstrends und der kritischen Situation in der Nähe des Tiefs vom Oktober 2008 bei 747,50 US-Dollar nicht sexy genug, während Palladium ,,hot‘‘ war und die Underperformance von Platin gegenüber Palladium immer größer wurde. Damit verstärkte sich auch das Argument der relativen Attraktivität von Platin gegenüber Palladium.

In eine Anlagestrategie gepackt könnte man auch sagen: Short Palladium, long Platin.

Möglich, dass die stürmische Korrektur von Palladium und der überzeugende Ausbruch von Platin zuletzt auch dadurch zusammenhängen. Das Verhältnis bewegt sich aber immer noch in der Nähe  historischer Extremwerte. Gleiches gilt im Übrigen auch für das Verhältnis von Platin und Gold, was deshalb ein weiteres relatives Kaufargument für Platin bildet.

Das relative Substitutionsargument erscheint dabei auf zwei Ebenen: Zum einen ist dies der Druck auf die industriellen Nutzer vor allem in der Automobilindustrie, Palladium durch Platin zu ersetzen. Zum anderen ist es aus Sicht des Portfoliomanagers die Tatsache, dass das Diversifizierungsargument für Gold und Palladium in gewisser Weise auf Platin übertragen werden kann, ebenso wie dies auch für Silber gilt. Zur Erinnerung: 2008 betrug etwa das Platin-Palladium-Verhältnis rund 5,5, per Börsenschluss heute liegt es bei 0,65! Aus dieser Perspektive ist also viel Luft nach oben.

Damit eignen sich Platin und Silber für jene Investoren, die innerhalb des Edelmetallsektors ihr Investmentexposure diversifizieren wollen. Hinzu kommen jene, die der Ansicht sind, dass die ständige Erweiterung an industriellen Anwendungen sich mittelfristig grundsätzlich positiv auf Platinpreis auswirkt, was im Übrigen noch viel mehr für Silber gilt.

Dieser Blick gewinnt in Bezug auf Platin zusätzlichen Reiz durch das geopolitische Risikoprofil des Platinangebotes. Hierbei besteht mit Südafrika und Russland ein enges Angebotsoligopol, denn beide Länder machen über 80 % der Weltförderung von Platin aus. Platin wäre aus dieser Sicht in doppeltem Sinne ein strategisches Metall.

Zudem sollte man nicht vergessen: Platin ist rund 30 Mal seltener als Gold, und die Schmuckindustrie ist ein bedeutender Abnehmer. Der größte Markt für Platinschmuck ist China, was mehr als die Hälfte der Nachfrage ausmacht. Indien hat aber in den letzten Jahren stark aufgeholt, da dort gerade der Absatz von Platinschmuck für Männer stark wächst.

Der eigentliche ,,Elefant im Saal‘‘ ist aber die Investmentnachfrage. Diese kann die Überschussprognose für Platin, die seit dem Dieselskandal 2015 besteht, über Nacht entwerten. Denn derzeit werden nur rund 3 % der Platinnachfrage für Investmentzwecke gehalten. Aber es liegt ,,Change‘‘ in der Luft, was auch gut zur oben beschriebenen charttechnischen Ausgangslage und den möglichen Förderrisiken in Südafrika passt.

Nicht nur, dass vom geförderten Platin kein substanzieller Betrag für Investments genutzt wird. Sondern der Platinmarkt ist relativ zu anderen Märkten wie jenen für Gold und Industriemetalle sowie erst recht jenen der Standardalternativen wie Anleihen, Aktien und Immobilien kaum zu erkennen. Die für 2019 erwarteten 252 Tonnen Gesamtfördermenge ergeben aktuell einen Marktwert von ca. 8,1 Mrd. US-Dollar. Die für Investmentzwecke zur Verfügung stehende geringe Menge trifft dabei auf eine inzwischen nach dem starken Rückgang relativ unelastische Nischennachfrage der Industrie. Eine relativ zu Investments in bisher präferierte Vermögenswerte verschwindend geringe Zunahme reicht also, um den Platinpreis nachhaltig nach oben zu bewegen. Es ist eben auch hier wieder einmal ,,alles relativ‘‘.

Fazit: Viele haben Platin nicht auf dem Schirm. Der Underdog unter den Edelmetall-Investments wird (noch) von mehreren Treibankern gebremst, die aber an Einfluss verlieren sollten. Ein aus anderen Assetklassen kommender, relativ kleiner Liquiditätsabfluss und die daraus resultierende enorme relative Zunahme der Investmentnachfrage für Platin dürfte auf ein unelastisches oligopolistisches Angebot mit strategischer Dimension und eine relativ unelastische industrielle Nachfragekomponente treffen. Der Nettoeffekt könnte deshalb deutlich überproportional ausfallen, auch wenn sich der Zeitpunkt dafür nicht abschätzen lässt. Eine die Substitution von Palladium durch Platin antizipierende Erhöhung der Investmentnachfrage ist zudem umso wahrscheinlicher, je konkreter industrielle Pläne dieser Substitution werden. Und auch hier gilt wieder einmal: Früher Vogel fängt den (Performance-) Wurm!

 

05.04.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de

 





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