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Vertrauen und Geldwertstabilität

Ein Marktbericht von Arndt Kümpel

 

Nicolaus von Oresme war ein heller Kopf. Er war einer der großen Denker der Frührenaissance, hatte in vielen Wissenschaften wie Mathematik, Physik und Astronomie Substanzielles zu sagen, und er besaß die Fähigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse einem breiten Publikum verständlich zu machen. Zudem bekannt als führender Theologe und Übersetzer antiker Schriften wie etwa der Nikomachischen Ethik des Aristoteles ins Französische, war er auch Mentor des späteren französischen Königs Karl V. und wurde im Jahr 1377 zum Bischof von Lisieux gewählt, der er bis zu seinem Tod blieb.

Aber er war noch viel mehr, denn er hatte auch, welch Überraschung, Rückgrat. So bestand er darauf, dass nicht der Souverän, sondern das Volk das Recht haben solle, Münzen zu prägen. Er konterte damit die sich verstärkende Neigung europäischer Herrscher, ihre Geldnot durch Geldentwertung zu lösen. Im Gegensatz dazu vertraten Thomas von Aquin und Tolomeo da Lucca die Ansicht, das Geld Besitz des Herrschers sei und sein Wert von diesem frei festgelegt werden könne.

In seinem ,,Tractatus de Origine et Natura, Iure & Mutationibus Monetarum‘‘ schreibt er über Geldabwertungen: „Daraus ist zu folgern, daß man niemals eine Änderung der Zahlungsmittel vornehmen darf, außer im Zustande höchster Not oder zum offensichtlichen Nutzen aller Geldbesitzer. So lehrt auch Aristoteles im fünften Buch der Ethik, wo von Münzen gehandelt wird: sie sollen in höchstem Maße stabil sein.“ 

So schrieb der bedeutendste Nationalökonom des 14. Jahrhunderts in seinem zwischen 1355 und 1358 entstandenen Werk mit Bezug auf Aristoteles, was zeigt, dass diese Frage schon in der Antike vor dem Aufstieg des Römischen Reiches die Gemüter erhitzte. In seinem Buch analysiert Nicolaus von Oresme den Zweck des Geldes und plädiert dabei für ein flexibles Wertverhältnis zwischen Gold und Silber in Abhängigkeit von Metallförderung und Handelsbilanz. Es ist die erste wissenschaftliche Schrift, die sich spezifisch mit instabilem Geld auseinandersetzt.

Weil Nicolaus von Oresme nun aber ein Universalgelehrter ist, belässt er es nicht dabei, sondern untersucht auch die Auswirkungen der Geldentwertung auf Wirtschaft und Politik sowie Moral und Religion. Denn es ging eben nicht nur um Nationalökonomie, sondern auch um die Begründung von Herrschaft und die Frage, wie sich ein gerechter Geldwert festlegen und begründen lässt. Ihm war dabei völlig klar, dass Geld und Vertrauen untrennbar in der Weise zusammengehören, dass Vertrauen in Geld eine notwendige Bedingung der Geldwertstabilität ist. Dieses Vertrauen bezieht sich entweder auf die stoffliche Qualität des Geldes oder auf das pure Wertversprechen der geldausgebenden Autorität.

Die wesentlichen Ziele staatlicher Manipulationen in der Geldpolitik waren zuvor bereits im Römischen Reich die Aufrechterhaltung der Illusion eines gleichbleibenden Geldwerts, um damit einen funktionierenden Zahlungsverkehr zu garantieren. Die kritische Ressource Vertrauen war dabei der limitierende Faktor seiner Fungibilität. Dies zeigt etwa die Hauptsilbermünze des Römischen Reiches seit dem späten 3. Jahrhundert v. Chr., der Denar. Von Kaiser Augustus (27 v. - 14 n. Chr.) in ein fein abgestuftes Münzsystem aus Gold-, Silber- und Kupferprägungen eingebunden, büßt er in den ersten zwei Jahrhunderten nach Christus durch politische Turbulenzen stetig an Qualität ein.   

Während der Goldaureus und der Silberdenar bis zur Zeit Kaiser Neros (54 – 68 n. Chr.) den vollen Gold- und Silbergehalt aufwiesen, verschlechterte sich danach der Edelmetallgehalt so weit, bis er unter dem Soldatenkaiser Aurelian (270 – 275 n. Chr.) gerade einmal 2 % seines ursprünglichen Wertes enthielt. Dazu passt, dass in den 60 Jahren zwischen 215 und 285 n. Chr. nicht weniger als 48 Soldatenkaiser an der Macht waren, die nie genug Geld hatten, um die Truppen zu bezahlen. Die am Ende des 3. Jahrhunderts in der Münzreform von Kaiser Diocletian (284 – 305 n.  Chr.) eingeführte Münze namens Follis hatte dann schließlich nur noch Illusionscharakter, denn die ca. 10 Gramm schwere Bronzemünze war mit einem dünnen Silberfilm überzogen, um den Anschein von Werthaltigkeit zu erwecken. Diese ,,vertrauensbildende Maßnahme‘‘ blieb bis zur bald darauffolgenden Münzreform derweil, was es von Anfang an war – ein untauglicher Versuch, die Wahrheit zu verschleiern.

Diese Beispiele verdeutlichen den Prozess des Vertrauenszerfalls durch ständig kleiner werdende Münzen, abnehmende Edelmetallgehalte, verschwimmende Nominalgrenzen und drastisch steigende Preise. Nicolas von Oresme mahnt diesbezüglich in seinem Traktat: „Denn solche Veränderungen lassen die Ehrfurcht und Autorität vor den Gesetzen in hohem Maße schwinden...‘‘

Damit trifft er den Kern und lässt uns die realen Kosten instabilen Geldes erahnen. Es ist die Sprengkraft der monetären Instabilität für die Stabilität der politischen Institutionen, die in einem reflexiven Verhältnis die Rahmenbedingungen stabiler Tauschbeziehungen sicherstellen müssen. Das Vertrauen in diese Institutionen wird deshalb primär dadurch legitimiert, dass diese verlässliche Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schaffen.

Übrigens: Zwar leitete Diocletian Reformen ein, die die Reichskrise des 3. Jahrhunderts im Römischen Reich überwanden und die Zeit der Soldatenkaiser beendeten. Doch die Reformen Diocletians und jene des späteren Kaisers Konstantin stellen sich als Pyrrhuskonsolidierungen heraus. Im Verlauf des unseligen 4. Jahrhunderts drehte die Leistungs- und Zahlungsbilanz Roms von passiv auf aktiv, die Bevölkerungszahl sank, der römische Fern- und Seehandel kommt zum Erliegen und die Unsicherheit steigt deutlich an. Dazu tragen die sassanidischen Parther und die Germanen von außen ebenso bei wie die immer weiter anziehende Steuerschraube für Kleinbauern und Pächter von innen. Im Ergebnis sinkt der Geldwert im Wesentlichen durch die relativ zu seiner Höhe sinkende Gütermenge, da der vorhandenen Geldmenge weniger Güter gegenüberstehen. Im späten Rom steckt nicht das kranke Geld die Wirtschaft und Gesellschaft an. Stattdessen schlägt die Krankheit von Gesellschaft und Wirtschaft auf Geld, seinen Wert und seine Verbreitung durch.

 

Was ist nun aber die Relevanz für die heutige Situation?

 

Die Neigung, Geldnot durch Geldentwertung zu lindern zieht sich wie ein roter Faden durch die Geldgeschichte. Sie verdeutlicht, wie sehr das Geld von seinem Edelmetallgehalt oder vom generalisierten Vertrauen in den Staat als dem Garanten der Geldwertstabilität abhängt. Währungsreformen sind das unausweichliche Endspiel bisher verfrühstückter zukünftiger Einkünfte, wobei der Staat heute anders als in früheren Zeiten das Geldsystem bedeutend stärker reguliert. Der monetäre Zentralismus des staatlichen fraktionalen Fiatgeldsystems kollidiert dabei mit der funktionalen Angemessenheit dezentraler Steuerung und demokratischer Autonomie. In ihm liegt auch die Saat der Währungsvielfalt zur Sicherung Letzterer, wie es Ideen von Regionalgeld bis zu goldgedeckten Kryptowährungen funktional darstellen. Eine kurzgeschlossene Logik des Machterhalts in Institutionen wird jedenfalls auf Dauer nicht reichen, um nachhaltig wertstabiles Geld zu sichern. Erweist sich das diesen Institutionen zugeschriebene Vertrauen als ungerechtfertigt, sollten wir uns anschnallen. Schulden sind Versprechen zukünftiger Zahlungen, deren Glaubwürdigkeit von der Lösung realer Probleme abhängt. Finanzvoodoo und Pseudokrisenkompetenz werden zur Sicherung der Geldwertstabilität von Fiatwährungen jedenfalls nicht ausreichen.

 

27.03.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de





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