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Kommen Kapitalverkehrskontrollen?

Wie hoch ist das Risiko von Kapitalverkehrskontrollen?

NTG24 - Kommen Kapitalverkehrskontrollen?

 

Im Zuge der letzten Jahrzehnte wurden weltweit in bedeutendem Umfang die vorher geltenden Restriktionen in vielen Staaten aufgehoben. Der Grund ist nicht schwer zu sehen. Denn die Globalisierung, also die zunehmende Integration von vorher separaten Wirtschaftsgebieten wie dem RGW in das westliche Regelwerk internationalen Handels. Der RGW war 1949 als Antwort auf den Marshallplan der USA zum Wiederaufbau des zerstörten Europas nach dem 2. Weltkrieg gegründet worden und zementierte die bestmögliche Versorgung der Sowjetunion. 1991 wurde der RGW im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion dann aufgelöst, und die Staaten aus dem Orbit der UdSSR strebten in Richtung Europäische Union. Der politisch für Europa zur damaligen Zeit weniger stark unterstützte Teil, die Staaten Zentralasiens, rutschen dagegen in eine massive Anpassungskrise.

Nun scheint es, als ob in Bezug auf die Bereitschaft, eine zunehmende weltwirtschaftliche Integration zu fördern, eine gewissen Ernüchterung eingetreten ist. Dies hat vielfältige Ursachen. Eine nicht zu unterschätzende aber dürfte sein, dass bei abnehmendem weltwirtschaftlichem Wachstum die dabei anfallenden Handelsgewinne schrumpfen und es dadurch einfach weniger Ressourcen gibt, innerhalb der jeweiligen Länder die Gegner der weltwirtschaftlichen Integration und Kooperation zu besänftigen.

Eine Dimension einer gewissen Renationalisierung, also der Rückverlagerung von wirtschaftlichen und politischen Prozessen ins Inland, ist die Politik bezüglich des Kapitalverkehrs.

 

Devisenmarkt

Bildnachweis: © Uniper SE

 

Ein weltweit ausgerichteter Investor möchte sowohl bei Direktinvestitionen als auch für solche in die Aktien- und Anleihemärkte in anderen Ländern ein hinreichendes Niveau an rechtlicher Stabilität, denn er erwirbt juristische Eigentumstitel in dem jeweiligen Land, deren Werthaltigkeit wesentlich davon abhängt, ob man diese Eigentumsrechte auch durchsetzen kann.

Welche Probleme damit verbunden sein können, wird bei einem Blick auf Simbabwe, Argentinien, China oder Usbekistan deutlich.

Es ist deshalb sehr deutlich, warum in der Phase der aktuell zunehmenden weltwirtschaftlichen Schwächephase vor allem die aufstrebenden Länder, die Emerging Markets, den Kapitalfluss wieder stärker kontrollieren wollen.

 

Stehen Kapitalverkehrskontrollen vor der Tür?

 

Nicht nur die Unsicherheit über die Ausbreitungsdynamik des Coronavirus zehrt derzeit an den Nerven der Politiker weltweit. Auch der Ölpreisschock treibt vor allem jene Länder in die wirtschaftspolitische Enge, die nun einen Terms-of-Trade-Schock zu bewältigen haben.

Und je stärker diese verschuldet sind, umso höher ist das Risiko einer zunehmenden Kapitalflucht. Dabei hängen die ausfallenden Einnahmen aus dem Rohstoffexport mit einer ausgleichenden und dadurch zunehmenden Staatsverschuldung zusammen.

Breitet sich diese Druckwelle global aus, steigt das generelle Risiko einer Ansteckung. Denn wenn das betreffende Land seine Währungsreserven bewahren will, bleiben bei zunehmender Kapitalflucht nicht mehr viele Alternativen.

Die Asienkrise 1997 und der Staatsbankrott Russlands liegen noch nicht so lange zurück, um die Wirkungen drastischer Abwertungen zu vergessen. Ein Vergleich der indonesischen Rupie mit dem malayischen Ringgit des Nachbarlands Malaysia zeigt den Effekt.

Auf dem Höhepunkt der Asienkrise im September 1998 hatte das Land den Rücktransfer ausländischer Portfolioinvestitionen ganz geblockt. Einige Monate später wurde das Verbot durch eine Exit-Tax von 30 % ersetzt. Die umstrittene Abschottung der investierten Gelder sollte kurzfristigen Kapitalbewegungen, die in Malaysia als schädliche Spekulation verpönt waren, einen Riegel schieben. Im Zug der Maßnahmen war der Kurs des Ringgit gegenüber dem US-Dollar eingefroren worden.

Zuletzt hat sogar die IWF-Präsidentin die These infrage gestellt, dass flexible Wechselkurse die optimale Politik für Länder unter Kapitalmarktstress sind. Und dass, obwohl der IWF ein bekannter Gegner von Kapitalverkehrskontrollen ist.

Aber die Szenarien, bei denen die inländische Wirtschaft durch Kapitalverkehrskontrollen stabilisiert wurde, sind durchaus vorhanden. Etwa das Beispiel Islands in der Finanzkrise 2008/2009, oder auch jenes Nigerias nach dem Absturz des Ölpreises im Zuge der US-Sanktionen gegen Russland nach der Annexion der Krim.

Und auch die wieder eingeführten Restriktionen in Argentinien Ende vergangenen Jahres zeigen, dass kurzfristig solche Beschränkungen die Lage durchaus stabilisieren können.

 

Fazit

 

Je größer der Stress an den Kapitalmärkten wird, umso mehr dürften vor allem hochverschuldete Länder unter Kapitalabflüssen leiden. Dabei wird man sich nicht nur an die Nachteile von Devisenverkehrskontrollen erinnern. Sollte die Weltwirtschaft zusätzlich in eine Phase der Stagnation eintreten, dürften die asymmetrisch verteilten negativen Auswirkungen Wasser auf die Mühlen inländischer Befürworter des Protektionismus darstellen – sowohl in Bezug auf den Warenhandel, aber auch und vor allem in Bezug auf den freien Kapitalverkehr!

 

30.03.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de

 

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