als .pdf Datei herunterladen

Europäische Börsenführer auf unterschiedlichen Expansionspfaden

Das Börsenduell

NTG24 - Europäische Börsenführer auf unterschiedlichen Expansionspfaden

 

Keine Aktie brilliert innerhalb des DAX 30-Index seit Jahren so stabil, wie dies die Aktie der DEUTSCHEN BÖRSE (DE0005810055) tut. Performancerang 2 auf 5 Jahre (+ 169 %) sowie Rang 1 auf 3 Jahre (+ 102 %) sind ein untrüglicher Beleg dafür, wenn man korrekterweise die erst seit September 2018 bzw. 2019 im DAX 30 vertretenen Aktien von Wirecard und MTU aus diesem Performancevergleich herausnimmt. Diese Entwicklung der Deutsche Börse- Aktie ist um so bemerkenswerter, als die Gesamtentwicklung des deutschen Aktienmarktes seit 5 Jahren (CDAX: + 37 %) doch nur als verhalten zu bezeichnen ist. Von der Entwicklung des REXP-Index auf der Anleihenseite seit 5 Jahren (+ 8 %) im Umfeld chronischer Niedrigstzinsen ganz zu schweigen.

Zeit genug daher, die Hintergründe dieser beeindruckenden Aktienkursrallye einmal genauer zu analysieren und dabei zugleich auch einen relativen Bewertungsvergleich zu den Aktien der ebenfalls zunehmend stark aufstrebenden europäischen Erzkonkurrenten LONDON STOCK EXCHANGE GROUP (GB00B0SWJX34) und EURONEXT N.V. (NL0006294274) anzustellen.

 

Chart:  DEUTSCHE BÖRSE vs. LONDON STOCK EXCHANGE / EURONEXT / CDAX

 

Deutsche Börse vs. Lonson Stock Exchange + Euronext - Chart

 

Geschäftsentwicklung der 3 Europabörsen

 

Zum Vergleich der Größenentwicklung internationaler Börsen wird üblicherweise die Marktkapitalisierung gelisteter Börsentitel herangezogen (und nicht deren tägliches Handelsvolumen). Für das grundsätzlich bedeutendste Segment der Aktien stellt sich die Größenentwicklung für die 3 europäischen Kernbörsen Deutsche Börse, London Stock Exchange und Euronext hiernach seit Ende 2013 hiernach wie folgt dar:

Schon Ende 2013 rangierten die London Stock Exchange (LSE) sowie mit Hinzufügung der Börse Lissabon die bereits in 2003 zur 4 Länder-Börse erweiterte Euronext (Frankreich, Niederlande, Belgien, Portugal) auf den Plätzen 4 und 5 der weltgrößten Aktienbörsen. Die LSE verzeichnete zu dieser Zeit ein gelistetes Aktienvolumen in Höhe von 4,4 Bio. USD, die Euronext von 3,6 Bio. USD. Die Deutsche Börse rangierte schon zu dieser Zeit erst auf Rang 9 mit einem marktnotierten Aktienvolumen von nur rd. 1,9 Bio. USD.

Seit Ende 2013 hat sich bis heute jedoch eine interessante Aktiengrößenverschiebung zwischen den Börsen LSE und EURONEXT ergeben: Diese haben zum Jahresende 2018 nun erstmals die weltweiten Plätze 4 und 5 getauscht, so dass auch der absehbare BREXIT das Aktiengeschäft der LSE offenbar schon erkennbar belastet. Mit einem notierten Aktienvolumen von mittlerweile 4,7 Bio. USD ist also die EURONEXT nun erstmals seit ihrer Entstehung an der LSE vorbeigezogen und verzeichnet in diesem tragenden Handelssegment der Aktien damit in den letzten 5 Jahren einen weitaus dynamischeren Anstieg um + 30 %, als das für die LSE und Deutsche Börse gilt (5 Jahres- Ausweitung der Aktienmarktkapitalisierung der LSE um rd. 4 %, der Deutschen Börse immerhin um 19 %). Auch in dieser Hinsicht wird durch die sehr dynamische Geschäftsentwicklung der EURONEXT also die zuletzt aufgezeigte Tendenz klar unterstrichen, warum sich speziell Frankreich und die Niederlande zunehmend zu Aktienperformance-Spitzenreitern unter den europäischen Börsen entwickeln, und daher gerade diese Länder eine zunehmende Berücksichtigung in europäischen Aktiendepots verdienen.

Auch in puncto landesspezifisch begebener und daher natürlich auch primär an den jeweiligen Heimatbörsen gehandelten Bond-Emissionen sieht der Größenvergleich zwischen den EURONEXT-Ländern Frankreich, Niederlande, Belgien und Portugal relativ zur LSE (= britischer Bondmarkt) und der Deutschen Börse (= deutscher Anleihenmarkt) mittlerweile identisch aus: Hier kommen die 4 EURONEXT- Staaten aktuell zusammen auf ein ausstehendes Anleihenvolumen von 7,7 Bio. USD, Großbritannien auf 5,9 Bio. USD sowie Deutschland auf 3,5 Bio. USD.      

Insofern ist nicht nur Aktien-, sondern auch Anleihenumsatz- seitig die EURONEXT derzeit mit Sicherheit als der wachstumsstärkste aller 3 europäischen Kernbörsenplätze einzustufen, gefolgt ziemlich gleichauf von der LSE sowie der Deutschen Börse. Dies findet auch seine klare Widerspiegelung in den Umsatzwachstumsprognosen der Analysten für die 3 Börsenbetreiber von 2018 bis 2021.  Hier wird für die Deutsche Börse aktuell nur ein Anstieg von rd. + 10 %, für die LSE von + 19 % sowie für die EURONEXT von + 27 % erwartet.  

Hinsichtlich den Umsatzperspektiven der DEUTSCHEN BÖRSE ist dabei folgende Anmerkung zu ihren wesentlichsten Beteiligungen zu machen: dem 100 %-Anteil an der weltweit fünftgrößten Terminbörse EUREX, dem 100 %-Anteil an der europaweit führenden Transaktionsabwicklungs- und Settlement- Tochter CLEARSTREAM, dem 75 %-Anteil an der eher auf Privatkundenorders ausgerichteten Handelsbörse TRADEGATE sowie dem 100 %-Besitz des europäischen Index-Providers STOXX Ltd.

Insbesondere das EUREX- und CLEARSTREAM-Geschäft der DEUTSCHEN BÖRSE sind trotz ihrer international führenden Positionen und Technologiestandards aktuell doch sehr wachstumsschwach. So ist die Anzahl gehandelter Kontrakte an der EUREX (in 2018 rd. 2 Mrd. Kontrakte) nun schon mehrjährig stagnierend, und auch das auf Clearstream- Konten deponierte Anlagevermögen stieg auf Jahresbasis zuletzt lediglich um + 2 % (Volumen per Ende September: 13,7 Bio. EUR). Das Handelsaufkommen der 2010 gegründeten Plattform TRADEGATE weist bislang dagegen sehr erfreuliche Zuwächse auf (in 2018 16 %-iger Anstieg auf 106 Mrd. Euro), steuert hiermit allerdings bislang erst rd. 6 % zum gesamten Transaktionsaufkommen der DEUTSCHE BÖRSE-Gruppe bei. Auch die Indexentwicklungsaktivitäten und Ertragseinnahmen von STOXX Ltd. wachsen aktuell sehr solide, ohne jedoch nennenswerte Beiträge zum Konzerngewinn der Deutschen Börse zu liefern.

 

Strategische Expansion:  Deutsche Börse im Hintertreffen

 

Auch generell hinkt die DEUTSCHE BÖRSE hinsichtlich eines weiteren strategischen Vorantreibens ihres Beteiligungsausbaus sowohl der LSE wie auch der EURONEXT derzeit ein gutes Stück hinterher.        

Nachdem die geplante Fusion zwischen LSE und DEUTSCHER BÖRSE ja - ohne Frage zum starken geschäftlichen Nachteil beider Unternehmen – im März 2017 durch die EU-Kommission aufgrund wettbewerbsrechtlicher Einwände endgültig untersagt wurde, ist es auf dem Gebiet strategischer Expansionsprojekte der Deutschen Börse doch sehr still geworden. Hier verlegt man sich seither allein auf die technologische Weiterentwicklung bestehender Handelsplattformen bzw. deren Arrondierung durch Zukauf weiterer kleinerer, technologisch fortschrittlicher Handelsabwicklungsdienstleister (insbesondere Systemausbau in den Feldern Blockchain-Technologien, Portfolio- und Risikoanalysen sowie Nachhaltige Investments).

Dagegen machten in 2018 und 2019 sowohl die EURONEXT als auch die LSE durch wegweisende weitere strategische neue Beteiligungsprojekte von sich reden.

 

London Stock Exchange

Bilnachweis: © Telefonaktiebolaget L. M. Ericsson

 

Zum einen spielt die EURONEXT ihre Vorzüge eines grenzüberschreitenden, multinationalen Börsenverbunds sowie einer hochgradigen technologischen Erfahrung in der reibungslosen Integration dieser Börsenplätze auch weiterhin mit aller Konsequenz aus. So wurde im März 2018 nun ebenfalls die nationale irische Börse (Irish Stock Exchange plc) übernommen, die künftig der EURONEXT als „Euronext Dublin“ gerade nach Vollzug des BREXIT mit Sicherheit eine weitere Erhöhung ihrer europaweiten und selbst auch internationalen Schlagkraft bescheren wird. Und der letzte Schachzug der EURONEXT auf ihrem Expansionsfeldzug besteht nun in der im Juni 2019 ebenfalls vollzogenen, erstmaligen vollständigen Übernahme eines Börsenplatzes auch außerhalb der Eurozone, nämlich der Norwegischen Börse mit Sitz in Oslo. Mit dieser Übernahme schlug die EURONEXT sogar auch den US-Börsenbetreiber NASDAQ als Gegenbieter in diesem Wettstreit erfolgreich aus dem Rennen!

Auch die Entwicklung der LSE- Gruppe wurde in 2019 durch zwei hoch relevante Schlagzeilen beherrscht. Zum einen wurde am 01.08.19 die Großübernahme des weltführenden britisch-amerikanischen Finanzdaten-Dienstleisters REFINITIV für 27 Mrd. USD bekannt gegeben. Wie schon andere Vorbilder weltführender US-Anbieter und Analyse-Gesellschaften von Finanzdaten aller Art (z. B. Ratingagenturen Moody’s und S&P oder Indexanbieter MSCI Inc.) zeigen, ist dieses Segment der Finanzdatenaufbereitung, auf das bei der LSE bereits zuvor 40 % des Konzernumsatzes entfiel, hoch lukrativ. Innerhalb der nächsten 5 Jahre werden nach Prognosen der LSE daher durch diese Übernahme Synergien von bis zu ca. 350 Mio. GBP jährlich erwirtschaftet, was z. B. bereits fast einem Drittel des für 2021 erwarteten gesamten Konzernreingewinns entsprechen würde. Darüber hinaus steht aktuell ein Übernahmeangebot der Hongkong Stock Exchange für die LSE Group über 37 Mrd. USD im Raum, das der Konzern gerade im Licht der Refinitiv- Übernahme sowie einem bereits jetzt bestehenden Marktwert der LSE-Gruppe von rd. 33 Mrd. USD als strategisch wie finanziell völlig unzureichend zurückwies.   

 

Aktienbewertung und Anlageempfehlung

 

Wie oben ausgeführt befinden sich alle drei analysierten Kernbörsenbetreiber DEUTSCHE BÖRSE, LSE GROUP und EURONEXT derzeit auf einem auch durchaus überzeugenden Expansionspfad, der jedoch strategisch völlig unterschiedlich angelegt ist. Während man sich bei der DEUTSCHEN BÖRSE aktuell sehr auf technologische Weiterentwicklungen verlegt – ein Trend, den BERNECKER RESEARCH wie zurückliegend schon oft geäußert – jedoch sehr befürwortet und langfristig sehr ertragsträchtig einstuft (z. B. im Bereich Blockchain), feilt die LSE Group dagegen erkennbar an einer zunehmend gewinnstabilisierenden Diversifikation ihres angestammten Handelsgeschäfts. Die EURONEXT schließlich hat sich einen generalstabsmäßigen weiteren Ausbau ihres Börsennetzwerks auf die Fahnen geschrieben, was für sie angesichts ihres angestammten multinationalen Profils mit Sicherheit der nahe liegendste Expansionsansatz ist.

Wohl vor allem wegen der erfolgten REFINITIV-Übernahme veranschlagen Analysten die Gewinnwachstumsaussichten der LSE Group bis 2021 als die stärksten und rechnen hier mit einer Verdopplung gegenüber 2018. Für die EURONEXT und DEUTSCHE BÖRSE werden hingegen von 2018 – 2021 Gewinnsteigerungen von jeweils rd. + 50 % prognostiziert.       

Diese Schätzungen erscheinen uns auch durchaus realisierbar, auch wenn gerade die aktuellen Langfristprognosen sowohl für die LSE Group wie auch die DEUTSCHE BÖRSE momentan fraglos recht anspruchsvoll sind.

Augenfällig ist allerdings der beträchtliche aktuelle KGV-Bewertungsunterschied aller 3 Aktien (jeweils auf Basis 2020e): Hier steht einem KGV der LSE Group von stolzen 42 das der DEUTSCHEN BÖRSE von nur 22 und sogar nur von 18 für die EURONEXT entgegen! Dieses starke Auseinanderklaffen ist auch umso unerklärlicher, als sich die Netto-Gewinnmargen der drei Konzerne aktuell relativ ähnlich in einem mittleren 30 % - Bereich bewegen.

Die Aktie der LSE Group erscheint uns daher aktuell klar überbewertet, weshalb wir von deren Kauf nach ihrem 81 %-igen Kurssprung seit Jahresbeginn momentan abraten.

Die KGV-Bewertung der Aktie DEUTSCHE BÖRSE befindet sich dagegen relativ zu ihren langfristig sehr intakten Gewinnaussichten in einem vollauf akzeptablen Rahmen, so dass die Aktie auch weiterhin durchaus gekauft werden kann und eine Kernposition in unserem Musterdepot „ZÜRICHER TREND KONSERVATIV“ bleibt.

Den aktuellen rd. 20 %-igen KGV-Abschlag von EURONEXT bei einem realistisch zu unterstellenden, mindestens ebenso hohen Langfrist-Wachstum wie dem der Deutschen Börse halten wir jedoch für klar übertrieben und ist wohl alleine der noch relativ moderaten Marktkapitalisierung von gut 5 Mrd. Euro geschuldet. Die Aktie der EURONEXT ist daher unser aktueller Favorit unter den drei Börsenbetreibern und momentan zweifelsfrei kaufenswert.

 

29.09.2019 - Matthias Reiner - mr@ntg24.de

 

Auf Twitter teilen     Auf Facebook teilen


Informiert bleiben - Wenn Sie bei weiteren Nachrichten und Analysen zu einem in diesem Artikel genannten Wert oder Unternehmen informiert werden möchten, können Sie unsere kostenfreie Aktien-Watchlist nutzen.









Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur


Bitte geben Sie die Anzahl der unten gezeigten Eurozeichen in das Feld ein.
>

 



Bewertungen, Kommentare und Fragen an den Redakteur

 

 

Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)