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Tadschikistan und Usbekistan nähern sich weiter an

Zentralasiatische Seidenstraße reloaded?

NTG24 - Tadschikistan und Usbekistan nähern sich weiter an

 

Die beiden zentralasiatischen Staaten Tadschikistan und Usbekistan haben in den letzten Jahren die bilaterale Eiszeit, welche unter dem früheren usbekischen Präsidenten Karimov entstanden war, beenden können. Für wirtschaftlich eigendynamisches Wachstum sind aber noch wichtige Bedingungen zu erfüllen. Ein Blick auf die gemeinsamen Potenziale stimmt zuversichtlich.

Zu den wenig beachteten und strategisch unterschätzten Regionen gehört aus europäischer Sicht Zentralasien. Das Scheitern der 2007 unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft beschlossenen ersten Zentralasien-Strategie der EU ist bis heute formal nicht eingestanden, faktisch aber durch die reale Entwicklung bestätigt. Zum einen sind die Annahmen der darin festgeschriebenen Ziele der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit durch die andauernden schweren demokratischen Defekte im Sinne ,,defekter Demokratien‘‘ nicht nur nicht erreicht worden, sondern haben sich zum Teil weiter verschlechtert. Dagegen hat sich das, was in der Politikwissenschaft als ,,fassadenähnliche Institution‘‘ beschrieben wird, im politischen Schraubstock zwischen Moskau und Peking weiter verstärkt. Wie die nun 2019 beschlossene neue Zentralasienstrategie der EU funktioniert, ist bislang offen. Der Einfluss der EU in Zentralasien ist jedenfalls weiterhin relativ gering.

Die politische Ausgangslage war dabei insbesondere für Usbekistan und Tadschikistan als zwei der Nachfolgestaaten in der Konkursmasse der UdSSR sehr schwierig. Die zerfallene Sowjetunion vererbte beiden Staaten viele Probleme, die nach 1991 zu einer Schockfrostung der bilateralen Beziehungen für mehr als 20 Jahre führte. Es ging um Grenzstreitigkeiten und Wasser, Energie und Drogenrouten. Nachdem der frühere usbekische Langzeitautokrat Islom Karimov im Herbst 2016 starb, tauten die tiefgefrorenen Beziehungen zwischen beiden Ländern unter dem neuen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev auf.

Dies ist auch dringend nötig, um nicht zwischen chinesischen und russischen Interessen zerrieben zu werden. Mirziyoyev und der tadschikische Präsident Emomali Rahmon haben seither versucht, die wirtschaftsgeografischen Potenziale und wertschöpfungsbezogenen Komplementaritäten, welche zu einer regionalen Spezialisierung wie bereits schon in den früheren Jahrhunderten führen können, mit ersten, aber noch lange nicht ausreichenden Aktivitäten zu füllen.

Denn die Abschottungspolitik des früheren usbekischen Präsidenten Karimov hat das größere Usbekistan in eine Spirale aus Inflation, Devisenmangel und fehlenden Wirtschaftsreformen geführt, welche beispielhaft an der großen inflationären Lücke des usbekischen Som zum eigentlich noch schwächeren tadschikischen Somoni sichtbar ist.

 

 

Dabei gibt es viele Bereiche, in denen eine Zusammenarbeit aussichtsreich erscheint. Dabei steht die Sicherheitspolitik zumindest indirekt immer mit auf der gemeinsamen Agenda, denn das benachbarte Afghanistan ist auch im Mai 2021 immer noch eine Quelle der Instabilität, welche in beide Nachbarstaaten nicht nur durch die darüber verlaufenden Drogenschmuggel-Routen ausstrahlt.

Ein wichtiger Schritt zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen ist die im März 2021 in der tadschikischen Hauptstadt vereinbarte Visafreiheit bis zu 30 Tagen für die jeweils anderen Staatsbürger.

Allein diese Erleichterung dürfte in der Nach-Corona-Ära zu einem deutlichen Anstieg der wirtschaftlichen Aktivitäten auch und vor allem im Bereich des Tourismus führen. Denn die beiden Staaten haben ein großes und reiches kulturelles Erbe, was von Iskander-See bis zum Emirat von Buchara reicht. Wichtig ist hierbei auch, dass zuvor im April 2018 bereits die seit 1992 unterbrochene Flugverbindung zwischen Taschkent und Duschanbe wieder aufgenommen worden war.

Nun kommt der usbekische Präsident Mitte Juni erneut nach Tadschikistan und wird dabei auch die nördliche Provinz Sughd besuchen. Es geht um das Füllen von Vereinbarungen mit Leben und Investitionskapital, nachdem man nun administrativ Erleichterungen erreicht hat. Denn ohne Eigeninteresse der bilateralen Märkte und wird es in dieser Region keinen selbsttragenden Aufschwung geben. Es gilt, die ökonomischen Blutbahnen neu zu legen, die eine Strukturbildung erst ermöglichen. Es geht dabei um Transport-Infrastruktur, Energiegewinnung, Bildungskooperation und gegenseitige Investitionen.

Die kulturellen Verbindungen sind durch die jahrhundertealte gemeinsame Geschichte dabei aber eine starke Quelle gemeinsamer Identität, auch wenn das Turkvolk der Usbeken und die persisch-sprachigen ostiranischen Tadschiken einiges trennt.

Um die ökonomische Entwicklung zu beschleunigen, trafen sich in der usbekischen Hauptstadt am Wochenende zu einer neuen Runde der ,,tadschikisch-usbekischen gemeinsamen Kommission für Handel und ökonomische Kooperation‘‘, bei der es insbesondere um bessere Produktionsbedingungen für die jeweiligen Unternehmen ging. Ziel beider Staaten ist es dabei, Importe zu substituieren, um damit Devisen zu sparen. Gleichzeitig soll die Vermarktung gemeinsamer Produkte auf Drittmärkten gefördert werden.

Seit dem Beginn des politischen Tauwetters hat sich der bilaterale Handel, wenn auch von sehr niedrigem Niveau aus, mehr als vervierfacht. Die neuen Handelserleichterungen sowie die gemeinsamen Prioritäten in der Wirtschaftspolitik sollten nun in den kommenden Monaten zu einer weiteren Beschleunigung des bilateralen Handels führen, sobald die Lockdown-Maßnahmen der Corona-Pandemie auslaufen können.

 

Und was ist das Fazit?

 

Usbekistan und Tadschikistan haben einen neuen Anlauf zur Bereinigung ihrer angespannten Beziehungen gemacht und sich dabei an die Erfolgsbedingungen erinnert, welche diese Region einst zu einer Zone des Wohlstands durch Handel machte. Der Ausgleich sicherheitspolitischer Interessen in einem nach wie vor staatlich-institutionell schwachen Umfeld bleibt zwar eine große Herausforderung. Allerdings besteht aufgrund der unübersehbaren Vorteile seiner Wirtschaftsgeografie eine realistische Hoffnung für Tadschikistan und Usbekistan, dass die nächsten Jahre zeigen, dass man mit Kooperation mehr zu verteilen hat als mit Konkurrenz, ganz abgesehen von der kulturellen Resonanz!

 

18.05.2021 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de

 

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  • - 24.05.2021 14:27:40 Uhr


 

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